Bei der Arbeit von der Arbeit

Tja, was gibt es Passenderes, als bei der Arbeit ueber die Arbeit zu berichten?! 🙂 Daraus koennt ihr schonmal schlussfolgern, dass ich nichts zu tun habe, jedenfalls im Moment nicht.

Zur Lage allgemein: fragma design ist eine mittelgrosse Firma (laut Aussage des einen Chefs) mit 13 Mitarbeitern. Allerdings ist das Geschaeft hier anders aufgezogen als bei uns in Deutschland, wo Planung und Handwerk getrennt sind. Von den dreizehn Beschaeftigten sind nur zwei Innenarchitektinnen, die in der Planung arbeiten. Ansonsten gibt es noch einen Showroom, in dem (ich nehme an, selbst entworfene und gebaute) Moebel verkauft werden. Und vor allem gehoeren etliche Handwerker mit zur Firma, d.h. die Entwuerfe werden von eigenen Leuten umgesetzt. Gar nicht schlecht fuer den Projektablauf, die Kommunikation ist direkter. Das ist ein bisschen so, wie wenn eine Tischlerei in Deutschland auch eigene Entwerfer/Innenarchitekten beschaeftigt (mal ganz abgesehen von den rechtlichen Gegebenheiten, die ich hier noch nicht kenne).

Diese Aufteilung fuehrt dazu (jedenfalls in dieser Firma), dass es einen Showroom gibt, der eher zentral liegt. Den koennte ich zu Fuss in ca. 25 Minuten erreichen (oder mir auch mal ein Taxi fuer $2 goennen). Allerdings befindet sich die Produktion mit angeschlossenem Entwurfs-„Buero“ weit im Norden der Stadt, die sich ziemlich planlos nach Nord und Süd und bis an die steilen Haenge der umgebenden Berge ausbreitet (hier schonmal ein kleines Hoch auf die deutsche Stadtplanung). Und das Buero kann man sich eher wie eine Meister-Kabine in der Werkhalle vorstellen: in zweiter Ebene durch einfach verglaste Elemente abgetrennt, zwar durch eine Oeffnung in der Decke mit Tageslicht versorgt, aber ohne Belueftungsmoeglichkeit! Dafür direkt unter dem Blechdach der Halle, so dass es auch bei normaler Sonneneinstrahlung gleich mal 25-30°C warm wird (und morgens oder bei Regen ist es einfach a…kalt).
Unten in der Werkhalle bauen 6-7 Tischler/Arbeiter bestaendig irgendwelche Moebel zusammen. Den Grossteil des Materials bekommen sie zwar fertig zugeschnitten angeliefert, aber es wird zusaetzlich munter gesaegt, gefraest, gebohrt und vor allem auch lackiert. Diese Geraeusche und Gerueche/Daempfe steigen dann ungefiltert (denn Absauganlagen, Spritzkabinen und auch andere Sicherheitsmassnahmen gibt es nicht) zu uns hoch ins Buero. ;-(

Am ersten Tag musste ich erstmal drei Stunden im Showroom sitzen und warten, da Sebastian (der Bruder, der den Showroom leitet und wohl meiner Bewerbung zugestimmt hatte) am naechsten Tag in den Urlaub wollte und entsprechend noch einiges erledigen musste. Zum Glueck hatte ich rechtzeitig ein Buch ueber Messestaende entdeckt und konnte mir die Zeit mit dem Lesen der spanischen Texte vertreiben.
Im Auto auf dem weiten Weg zum Planungs- und Produktionsstandort stellte er mir zwischen Handytelefonaten und Verkehrsbewaeltigung immerhin ein paar Fragen zu unserer Arbeitsweise in Deutschland. Hier angekommen ueberliess er mich dann meiner einen Kollegin Cristina (die andere, Leslie, war die Woche im Urlaub). Es kam auch schonmal irgendwie zur Sprache, wie ich mit den Bussen hierher kommen koennte, aber das Thema blieb noch ungeklaert (jedenfalls fuer mich).

Da ich (logisch) noch nicht viel tun konnte, ging ich mit einer anderen Mitarbeiterin, die mit uns hergekommen war, in eine weitere Werkhalle, wo gerade eine Stuhllieferung angekommen war. Diese ist fuer ein weiteres Unternehmen, das gerade im Aufbau ist und mit dem sie Stuehle (made in China) verkaufen wollen (http://ozerodesign.com). Es sollten von allen Modellen je zwei Stuehle aufgebaut werden. Das uebernahmen zwei der Tischler, Andrea und ich bastelten sporadisch auch ein paar zusammen. Leider spricht sie fuer meine Ohren so undeutlich, dass ich mir die Frage, wie lange es dauern wuerde bzw. ob wir das alles noch fertig kriegen muessten, verkniff.
Im Showroom sind die Arbeitszeiten von 9.00-18.00 Uhr, hier  bei der Produktion jedoch von 8.00-17.00 Uhr. Als wir um halb sechs wieder in die Werkhalle kamen, war die Kollegin Cristina schon weg, nur noch der „Meister“ werkelte herum. Nun war aber wohl die Idee gewesen, dass die Kollegin mich mitnimmt oder mir zumindest den Weg zeigt. Stattdessen debattierten die beiden anderen eine weitere halbe Stunde darueber, welchen Bus ich nun von wo aus nehmen koennte, tjae, naja, oder vielleicht doch nicht… Die „Deutsche“ in mir wurde wuschig! Zumal ich trotz mehrfachem „No entiendo“ keine verstaendlichere Anweisung bekam.
Um sechs (man muss wissen, hier wird es ab halb sieben stockdunkel und man sollte nicht mehr unbedingt alleine herumlaufen) beschloss ich mit den spaerlichen Informationen einfach loszuziehen. Die beiden guckten etwas ensetzt und meinten, wenn ich dann am naechsten Tag nicht kaeme, wuerden sie sich nach mir erkundigen, schoen!

Reichlich entnervt, ziemlich verunsichert und nur mit viel nachfragen habe ich dann meinen Weg nach Hause geschafft (zwei Buslinien, einmal umsteigen und noch 1,5 km Fussweg nach Hause). Wollte mir aber auch kein Taxi nehmen, denn das haette das Problem nur um einen Tag verschoben und die Buspreise (die gesamte Fahrt fuer $ 0,25!) sind wirklich ein Sparfaktor. Letztlich war ich um halb acht zu Hause, mir wurde auch mindestens eine Stunde Weg vorhergesagt.

Inzwischen habe ich es etwas besser raus und schaffe es in exakt einer Stunde von Tuer zu Tuer (WENN alle Busse fahren, wie sie sollen). Es stellte sich dann auch heraus, dass Cristina auf dem Weg wohnt und mich ab und zu mit dem Auto mitnehmen kann. Das bedeutet dann erst gegen 7.20 Uhr aus dem Haus (und dann gemeinsam mit ihr zu spaet kommen ;-). Der fruehe Arbeitsbeginn ist mir uebrigens nicht unrecht, dann hab ich wenigstens auch frueher Schluss.
Ich weiss, manche werden jetzt denken, eine Stunde Weg ist zwar lang, aber in grossen Staedten doch normal. Leider ist es nur so, dass man waehrend der Busfahrt nichts anderes tun kann (lesen o.ae.), denn erstens sind die Busse oft so voll, dass man im Gedraenge stehen muss (und dann noch auf seine sieben Sachen aufpassen muss wie ein Luchs), und zweitens ist der Fahrstil aller Busfahrer so chaotisch, dass man sich – selbst wenn man einen der rutschigen Plastiksitze ergattert hat – festklammern muss.
Meine Enttaeuschung war natuerlich auch deshalb so gross, weil mir ja der Showroom als Adresse angekuendigt worden war. Und der Verlauf des Arbeitsweges fuehrt nicht gerade durch attraktive Gegenden, hier vor Ort ist dann schon ueberhaupt nichts mehr. Ich habe eben meine Mittagspause allein verbracht und habe vergeblich nach einer Parkbank, einem Café oder irgendeinem Plaetzchen gesucht, auf dem man mal ein bisschen verweilen wollen wuerde… nuescht. D.h. eben auch, was immer ich nach der Arbeit noch unternehmen oder erledigen moechte, ich muss dafuer erstmal Richtung Stadtmitte zurueckreisen. Und ich verbringe einfach mal 60 Stunden meiner Zeit hier nur mit dem Arbeitsweg – das schmerzt mich.

Die eigentliche Arbeit (zumindest, was ich bislang beobachten konnte) scheint uebrigens ziemlich vergleichbar mit unseren Aufgaben. Grundrisse, Schnitte/Ansichten, Bemassung, Plaene im AutoCAD. Dann mal Materialproben und Muster. Und das 3D im Sketch-Up (konnte ich noch nicht, habe aber die Grundzuege schnell begriffen) und ein bisschen Aufhuebschen mit Photoshop. Alle Programme uebrigens in der Englischen Version. Einerseits etwas einfacher fuer mich, andererseit auch immer wieder verwirrend fuer mein kleines Hirn, das doch gerade versucht, Spanisch zu denken.
Was die Entwurfskonzepte angeht, kann ich noch nicht viel sagen. Ich hatte letzte Woche die Aufgabe, eine Mittelinsel zur Produktpraesentation von Kosmetikmarken zu entwerfen – die Vorgaben waren aber sehr eng. Und ich kann ja auch noch nicht beurteilen, wieviel von der Kundenmeinung abhaengt. Im Moment scheinen diese Kosmetik-Shops hier auch eine Hauptaufgabe zu sein. Die Verarbeitungsqualitaet der Moebel, die ich hier sehe, wuerden wir und unsere Kunden so nicht akzeptieren. Also, das Detail scheint nicht so wichtig.

Die Kollegin Cristina war letzte Woche verstaendlicherweise gestresst (weil alleine und auch mit Projekten belagert), trotzdem war sie sehr nett zu mir. Sie hat in New York studiert, spricht also Englisch, tut das aber wirklich nur im Notfall. Die andere, Leslie, habe ich ja heute erst getroffen, sie scheint aber auch ganz patent. Da sie heute wieder an ihrem Rechner sass, den ich letzte Woche benutzen konnte, hatte ich kein Arbeitsgeraet und habe den Vormittag mit Vokabeln lernen verbacht (dem Smartphone und leo.org sei dank!). Und gegen mittag sind die beiden dann zu einer Besprechung mit dem Chef losgefahren, so dass ich eine kleine Aenderung des Entwurfs am Rechner machen konnte+sollte, mit der ich aber schnell fertig war, bzw. zu der ich jetzt noch Fragen haette. Aber die beiden meinten schon, dass sie nicht wuessten, ob sie nochmal reinkommen…
Nuja, da mache ich mir jetzt auch wirklich keinen Kopf. Es war schon letzte Woche so, dass ich so vor mich hingebastlt habe. Der zweite Chef (ich schaetze, es sind Zwillinge) kommt hier sporadisch reingeschneit, ein Typ Marke xxx (wie nennt man die Helfer beim Buehnenaufbau?), oder wird per Skype eingeblendet. Er fragte dann auch mal nach meinem Namen und als er mal wieder da war, habe ich ihn dann auch gebeten, auf meinen Entwurf zu gucken. Grundsaetzlich scheint das Arbeitsverhaeltnis also von Vertrauen gepraegt, nur fuer meine Position ist es etwas schwierig, da ich eigentlich keinen Ansprechpartner habe. Dafuer kann ich auch ein bisschen machen, was ich will… merkt ja keiner.

Der Vertreter der Vermittlungsorganisation hier vor Ort hatte uebrigens vorgeschlagen, ich koennte ja jeden Tag erst um neun anfagen und somit eine Stunde weniger am Tag arbeiten. Das habe ich aber erstmal abgelehnt, will ja nicht gleich einen Sonderstatus haben. Am Freitag sass ich dann uebrigens mit zweien der Tischler morgens fuer eine Stunde vor verschlossenen Toren. Und nun habe ich gerade einen Blick in die verlassene Werkhalle geworfen (es ist halb fuenf) – wo sind die alle? Und haben die mich jetzt hier eingeschlossen???

Ein Gedanke zu „Bei der Arbeit von der Arbeit“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert