Grundkurs Nebelwald

Die Woche hat schon wieder mit einem Vormittag Einzelunterricht angefangen und mir brummt der Schädel. Aber immerhin habe ich jetzt mehr Energie als gestern nach meiner Rückkehr aus den Tiefen (nur auf etwas mehr als 1.000 Höhenmetern im Vergleich zu Quito mit 2.800 m) des Nebelwaldes.

Wie es überhaupt dazu kommen konnte?! In einem eintägigen Spanischkurs in Berlin lernte ich Harry kennen, der übrigens ab Oktober für 10 Monate in Cuzco, Peru, sein wird (wo ich ihn wahrscheinlich besuchen werde). Die Verbindung zu Ecuador kommt aber über seinen Freund Holger, der hier seit mehreren Jahren mit seiner ecuadorianischen Frau Graciela und mit der inzwischen dreijährigen Tochter Éstefaní wohnt. Harry bat mich nun, seinem Freund einen neuen Laptop mitzubringen, der in Ecuador ein teures Luxusgut ist. Ich weiß, „Nimm nix von Fremden ins Gepäck!“ – aber ich tat es trotzdem (und hatte mehr Sorge, ob der halbe Liter Olivenöl, der ebenfalls als Gastgeschenk überreicht werden sollte, heil ankommen würde).

Am Freitag war nun besagter Holger in Quito und bereit, die Geschenke und mich abzuholen, um mich zum Dank ein Wochenende in sein Haus im Nebelwald zwischen Anden und Küste einzuladen. Mit dem Stadtbus ging´s zum Busterminal am Rande der Stadt und von dort mit einem Reisebus durch die Berge. Nach der Passüberquerung wurde es zunehmend grüner und waldiger. Holger als Vogelkundler und Naturführer machte mich nicht nur auf die Vegetation mit abgeholzten, beweideten und urwüchsigen Flächen aufmerksam, sondern kommentierte den rasanten Fahrstil des Busses ebenso wie die letzten Fußballergebnisse. Wir hatten viel Gesprächsstoff.

Im Ort Nanegal stiegen wir aus. Dort befindet sich das Büro, in dem Graciela den Betrieb der Touristen-Lodge „Santa Lucia“ (hoch auf einem nebelbewaldeten Hügel gelegen) koordiniert. Mit der ganzen Familie ging´s bei Nieselregen im Viehlaster (zu Fuß ca. 45 Min.) bis ins Dorf. Die letzten Meter zum Haus trugen wir die Einkäufe den steilen, etwas aufgeweichten Trampelpfad hinunter, um dann in dem als „Gartenlaube“ angekündigten Holzhaus zu landen, das in etwa den Standard einer einfachen norwegischen Ferienhütte hat: zwar fließend Wasser und Strom, aber keine Kanalisation, also Plumpsklo; und dank des immerwarmen (bzw. nie kalten) Klimas das Wohnzimmer auf der offenen Terrasse und Wände aus locker nebeneinander genagelten Brettern. Ich gestehe, auf den ersten Blick nicht das, was ich als ständigen Wohnsitz für eine dreiköpfige Familie erwartet hatte, aber eigentlich alles prima. Und vor allem mitten in der üppigen, belebten Vegetation, mit Kolibris, die munter umherflatterten! Das hat mich am meisten fasziniert (und unterscheidet sich deutlich von Norwegen 😉 ).

Ich wurde wunderbar verpflegt, lecker Essen und Bier dazu, was braucht man mehr. Am Samstag schnürten wir die Wanderschuhe und machten uns auf den Weg (Schotterstraße) in Richtung einer weiteren Lodge mitten im Nebelwald (aber nicht hoch gelegen). Ich musste staunen: die dreijährige Éstefaní tippelte munter mit, immer wieder weiter gelockt durch reife Brombeeren am Wegesrand und Schmetterlinge und Vögel (naja gut, das größte Versprechen waren Haribo-Gummibärchen bei Erreichen des Ziels 😉 ). Es war spannend mit einem Kenner der Vogelwelt unterwegs zu sein: Holger hört und sieht die Tiere, wo ich nur Grün wahrnehme (und ähem, vielleicht muss ich nun doch meine einfache Einteilung in „Pieper“ und „Geier“ infrage stellen?!).

Die (süße!) Kleine ist übrigens schon fast so schlau wie Papa und „liest“ liebend gerne Vogelkundebücher. Allerdings auch deutsche Kinderbücher, die sie dank der zweisprachigen Erziehung versteht. Holger spricht nur Deutsch mit ihr (somit durfte ich das auch), sie plappert in Spanisch, sehr lustig. Graciela versteht ebenfalls fast alles in einer Unterhaltung auf Deutsch, wir haben aber auch ein wenig Spanisch gesprochen (sie mehr als ich 🙂 ). Ein wenig kurios war es schon, mitten in Südamerika deutsche Kinderlieder mitzusingen und sogar am Samstagabend einen Tatort aus der Konserve auf dem Laptop zu gucken, immer das Zirpen der Grillen und andere Geräusche der Nebelwaldnacht im Ohr.

Den Fluß „hinterm Haus“ konnte ich dann auch noch ansehen, genauso wie am Sonntagvormittag noch einen Aussichtspunkt im Ort, zu dem wir alle hinaufstiefelten (schon wieder Kompliment an die Dreijährige – als Kind hätte man mich mit so einer Tour echt jagen können, niemals!). Nach einem Mittagessen im Restaurant, wollten wir gerade gemütlich zum Hauptplatz gehen, wo der Bus hält (theoretisch zu bestimmten Zeiten, praktisch weiß man nie), da kam er grad und ich musste mich sputen. Kurzer Abschied, lange Fahrt (1,5 Stunden) im Stehen, da es keine freien Plätze mehr gab – und das bei dem Kurvenverhalten! In Deutschland hätte man an jeder zweiten Kurve einen Aussichtspunkt installiert und auf dieser Strecke würde natürlich niemand überholen. Aber hier, mit ein bisschen Drängeln und Hupen und zur Not mal dem Gegenverkehr ausweichen, geht das.

Mitgebracht habe ich meinen ersten Durchfall (hui!) und eine Menge toller Eindrücke, für die ich Holger und seiner Familie herzlich danke und die mir definitiv Lust auf mehr gemacht haben. Aber wir werden sehen – vamos a ver…

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