Das Meer sehen…

Zu meinem letzten Ecuador-Ausflug startete ich Montagabend um 22.00 Uhr mit einem Taxi Richtung Busbahnhof. Wie immer mit einem mulmigen Gefühl, wenn ich nicht so genau weiß, wie alles laufen wird – aber diesmal lief es wirklich nicht so optimal.

Busticket kaufen ging noch gut, ein Empanada als Nachtmahlzeit war dann wohl schon der erste Fehler. Auf der nächtlichen Fahrt im Bus machte sich erstes Magengrimmen bemerkbar. Schlimmer war allerdings, dass nach einem kurzen Gastspiel die Klimaanlage vollständig ausgeschaltet wurde (wo doch sonst jeder Reisende in Südamerika von total unterkühlten Bussen berichtet). Auf dem Weg zur Küste wird es ja nun auch draußen immer wärmer, im Bus herrschten aber irgendwann gefühlte 30° C und vollständiger Sauerstoffmangel. Ich war kurz vorm Hyperventilieren, an Schlaf während der sechs Stunden war kaum zu denken. Auf meine Nachfrage beim zweiten Stopp (der bereits die erste Küstenstadt bediente) bekam ich die Auskunft, die Anlage sei abgeschaltet, da sonst alle eine Erkältung bekämen. Leider reichte mein Spanisch nicht dazu aus zu erläutern, dass wir ja nun stattdessen alle ersticken müssten. Naja, nun war es ja nicht mehr weit…

Das war aber gleichzeitig das nächste Problem: die Ankunft des Busses war für 7.30 Uhr geplant, tatsächlich stand ich bereits um 6.30 Uhr an der Haltestelle an der Hauptstraße und musste nun irgendwie mein Hotel finden (es standen zwar ein paar Halbwüchsige herum, aber keine Taxis o.ä.). Und nach einem ersten falschen Abstecher musste ich nun wirklich die Durchfahrtstraße entlanglaufen, alleine, blond, mit meinem Rucksack so eindeutig touristisch, dass ich mir auch ein Schild hätte umhängen können: „Bitte rauben Sie mich jetzt und hier aus, eine bessere Gelegenheit wird sich kaum bieten!“ Puh, zum Glück hat es niemand versucht und ich war bald darauf am Strand vor dem verschlossenen Restaurant meiner Unterkunft.
Aber auch der Strand war ein trauriger Anblick: wolkenverhangener Himmel, keine Menschenseele unterwegs, alle Hütten (wie schon im Ort) ziemlich heruntergekommen und trist. Auch ein kurzer Spaziergang konnte an dem Eindruck nichts ändern (nachher sagte mir übrigens jeder: nicht alleine am Strand entlang gehen, jedenfalls nichts mitnehmen, immer in der Nähe von belebten (ja, wie denn?!) Abschnitten bleiben). Auch hier wieder: zum Glück hat niemand die Situation ausnutzen wollen.
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Um 8.00 Uhr sprach ein Einheimischer (die dort meist der afroamerikanischen Population Ecuadors angehören) das müde Häufchen an, dass da auf der Treppe hockte (also mich) und führte mich zum Besitzer des Hotels, der mir dann immerhin mein Zimmer zeigte. Ziemlich heruntergekommen, wenngleich mit Balkon direkt zum Meer und Meeresrauschen inklusive. Ich wollte nur noch schlafen! Tat ich dann auch, denn viel anderes blieb eh nicht.
Nach drei Stunden wachte ich auf, aber mir war klar, der Körper ficht einen Kampf gegen die Verdauung aus und hat nicht viel Energie für andere Aktivitäten übrig. 🙁 Dennoch, ich hatte zu wenig Bargeld mitgenommen und musste mich wenigstens mit ausreichend Trinkwasser und Magen-Darm-Befall geeigneter Nahrung versorgen. Also folgte ich der Wegbeschreibung zu einem Supermarkt mit Bankautomat – und tatsächlich, das gab es. Das Angebot war mager, aber viel brauchte ich ja nicht.
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Zurück am Strand setze ich mich hin und trank erstmal was. Selbst vor dem schicksten Hotel am Platze war nicht viel los. Die einzige Touristin, die offensichtlich allein unterwegs war und europäisch aussah, entpuppte sich als Ecuadorianerin, die immerhin Englisch sprach und für ihre Arbeit für Unicef gerade aus dem noch schrecklichen Esmeraldas hierher gezogen war. Aha.
Vor meiner Unterkunft sprach ich dann noch zwei Typen an, die gemütlich im Sand saßen und ein Bierchen tranken: ebenfalls Ecuadorianer, aber mit Studium in Brüssel und Australien, quasi Intellektuelle mit gutem Englisch. Sie wohnten auch in meinem Hostel und meinten, sie müssten morgen wieder zurück nach Quito abreisen – ja, das würde ich wohl auch tun. Aber erstmal wieder fiebrig aufs Bett gelegt und weitere Stunden gedämmert, inzwischen war der Durchfall auch nicht mehr zu leugnen.
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Nachmittags fühlte ich mich dann etwas besser, ging nochmals am Strand entlang, bat die beiden Jungs ein Auge auf mich zu haben, und machte mich dann abends tatsächlich auf, im Strandrestaurant eine Pizza zu essen. Außer mir waren immerhin noch zwei weitere Gäste anwesend, ein junges Pärchen. Wahrscheinlich ist das alles bei gutem Wetter, in netter Gesellschaft und bei guter Gesundheit nicht ganz so deprimierend, aber ich war einfach nur froh, dass ich keine zwei Nächte gebucht hatte!
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Am nächsten Morgen frühstückte ich mit den Einkäufen vom Vortag auf meinem Balkon, der Himmel immer noch stark verhangen. Mir gings aber besser und so ging ich wenigstens noch einmal im Meer baden! Auf dem Parkplatz hatte ich ein einziges Auto stehen sehen und als ich den beiden Typen am Strand nochmal begegnete, ging ich in die Offensive und meinte, ob das ihr Auto sei und sie mit dem auch nach Quito führen – und ob sie mich vielleicht mitnehmen könnten?! Die Aussicht auf eine weitere Busfahrt und das Umsteigen in einem muchtigen Busbahnhof machte mir mehr Angst als die Möglichkeit, dass die beiden meine Anfrage zu meinen Ungunsten ausnutzen würden.

Taten sie auch nicht! Gegen mittag brachen wir auf, ein teures Auto, ein guter Fahrer, keine kalte Klimaanlage, aber schöner Fahrtwind. Nach einem Zwischenstopp zum Lunch, bei dem wir uns nett unterhielten, fuhren wir mehr oder weniger glatt durch bis in die große Stadt. Schneller als der Bus, für mich auch billiger und definitiv in besserer Gesellschaft.
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Beim Aufbruch hatte übrigens das Wetter aufgeklart und ich überlegte noch ganz kurz, meinen Aufenthalt doch noch zu verlängern… wie gut, dass ich es nicht tat. Kaum war ich zurück „zu Hause“ fing das Fieber wieder an, diesmal heftiger. 🙁 Dann fiel auch noch die Lampe in meinem Zimmer aus und ich war allein in der Wohnung, Marynes musste sich um ihre kranke Mutter kümmern. Ich war bedient und schlummerte heiß und mit Magen-Darm-Verstimmung vor mich hin.

Zum Glück war alles heute früh schon viel besser! Marynes tauchte auf, gab Anweisungen zur Erstellung von Oregano-Sud, den ich trinken sollte, und das Fieber war auch schon weg. Viel gemacht habe ich heute dann nicht, schlafen, Wäsche waschen lassen, noch eine Stunde Spanisch – das wars.
Nun hoffe ich, dass ich morgen mit alter Energie meine Sachen sortieren und packen kann, denn übermorgen geht es auf vierwöchige Rundreise. Krass, wenn ich bedenke, dass ich sonst nicht vier Wochen am Stück reisen würde – und nun kommt es mir nicht mehr viel vor…

3 Gedanken zu „Das Meer sehen…“

  1. Liebe Juliane, dann kann ich von hier aus nur gute Besserung wünschen und hoffen, dass die alten Kräfte so schnellwie möglich wieder zurückkommen. Ich kenne dieses Sch… Gefühl.
    Alles Gute,
    christoph

  2. Die gute Botschaft lautet…..
    Es haben sich jetzt gewiss die richtigen Antikörper entwickelt und Du bleibst die nächsten Wochen von derlei Ungemach verschont!!!
    Pass gut auf Dich auf und behalte Dir deine optimistisch geprägte Abenteuerlust ?
    Wie siehts aus……
    Nächstes Jahr dann doch wieder Ostsee ?

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